Glaube, Gott und Currywurst - Unser Platz ist bei den Menschen

Ein Buchtipp von Klaus-Peter Lokai

Das neue Buch von Pfarrer Franz Meurer, "Glaube, Gott und Currywurst" hat es in die Spiegelbestsellerliste geschafft. Vielleicht, weil die Botschaft heißt: unser Platz ist bei den Menschen? Vielleicht, weil das Buch in einer anderen, der Kirchenkrise, geschrieben wurde – aber in der Coronakrise gerade recht komme, mutmaßt Franz Meurer über seinen unerwarteten Erfolg.

Ein Buch darüber, was im ärmsten Viertel Kölns, mit 26 000 Einwohnern und 26% Alleinerziehenden, alles möglich ist, wenn alle zusammenhalten und sich umeinander kümmern, kommt in der Tat zur rechten Zeit. Vor allem, weil im Viertel von Franz Meurer angepackt wird, in jeder Hinsicht. Darauf angesprochen antwortet Franz Meurer in seiner herzlich-lakonischen Art mit Adolph Kolping: „Tätige Liebe heilt alle Wunden. Bloße Worte mehren nur den Schmerz.“

In Kolpings Sinne versteht Franz Meurer alle Anstrengungen aller Mitarbeiter*innen in der Gemeinde als eine „Agentur der tätigen Nächstenliebe“. Dazu gehört, dass die Schulen, den Kirchenraum als Aula nutzen können, die Gesamtschule und die Hauptschule halten ihre Abschlussfeiern und verteilen Zeugnisse, die Grundschule zeigt im Kirchenraum an Ende der Zirkuswoche den Eltern, was die Kinder an Einrad – und Feuerschluckerkünsten gelernt haben.

„Dat is doch janz normal“, sagt Franz Meurer in seinem kölschen Zungenschlag dazu, in Afrika oder Lateinamerika fänden es doch auch alle ganz normal, wenn im größten Raum der Gemeinde alles stattfinde, das eben einen großen Raum brauche.

Und wie meistert er die Corona-Krise ? „Es ist jetzt das Wichtigste, dass man Eifer zeigt. Wir haben zum Beispiel den Kommunionkindern schon jeweils fünf Pakete geschickt. Wir schreiben jede Woche rund 900 Leuten per Post einen Brief. Viele bei uns haben gar kein Internet, wenn sie arm sind oder alt. Sonntags feiern wir keine Messe, sondern geben zwei Stunden lang die Kommunion aus. Da können dreimal so viele Leute kommen. Und wir beten jeden Abend zusammen,“ so Pfarrer Meurer.

Hat sich die Kirche in der Corona-Krise nicht genügend eingesetzt ? Pfarrer Meurer: „ Das ist doch alles Quatsch! Zu viel, zu wenig - das ist doch alles Blödsinn, finde ich. Wir als Katholiken müssen aufpassen, dass wir nicht zu klerikal rüberkommen. Das ist unser Riesenproblem, dass alte, weiße Männer rumturnen. In unserer Gemeinde verfassen Frauen und auch ein junger Mann Wochenandachten. Es will doch keiner lesen, was der Pastor glaubt. Die Leute wollen lesen, was die junge Mutter und der junge Bob-Marley-Fan glauben. Das ist das Pfund, auf das es ankommt! Man muss immer von den Menschen her denken.“

 

Rezension aus Deutschland vom 19. April 2020

Was bringt einen „Heiden“ dazu, nicht nur zu diesem Buch zu greifen, sondern es auch zu lesen – und zwar bis zur letzten Seite? Ich wollte einfach mehr über diesen „Typen“ erfahren, der so gänzlich unkonventionell (und vermutlich gegen mancherlei Widerstände) seinen Weg geht – und dabei die Menschen auf seiner Seite weiß. Nicht weil er etwa so großartige Predigten hält (vermutlich kann er auch dies), sondern weil er ein Mann der Tat ist, der dort hilft, wo es am notwendigsten erscheint. Der da ist, wenn man ihn braucht. Bei vielen Passagen des Buches, das gebe ich gerne zu, wurde ich von Emotionen geschüttelt. Weil die Aussage „Dienst am Menschen“ hier wörtlich genommen wird und nicht nur eine, oft an Feiertagen gedrechselte, Worthülse bleibt. Es gäbe viele Initiativen aufzuzählen: Fahrradwerkstatt, in der ein Flüchtling (Syrer, Ingenieur) jährlich 2.500 Fahrräder repariert, Werkstätten für Holz und Metall, Kleiderkammer, Café, Räume für Veranstaltungen für alle Religionen / Konfessionen. Soweit die „Currywurst“. Bei „Glaube“ und „Gott“ konnte ich etwas schneller lesen. Aber es bleibt das gute Gefühl, dass hier ein engagierter Mensch seine Arbeit nicht nur auf die „Seele“ der Menschen beschränkt, sondern ihnen in allen Lebenslagen zur Seite steht (inklusive Spritzen- und Kondomautomat).

Rezension aus Deutschland vom 30. Mai 2020

Als Protestant habe ich dieses Büchlein gelesen und alles was der katholische Pfarrer Meurer hier aus seiner Arbeit in der Gemeinde vor Ort schreibt, könnte wohl auch gern für evangelische Gemeinden gelten. Es braucht ein geistliches Leittier, welches nicht aus der Amtsstube heraus regiert und organisiert. Franz Meurer geht hinaus unters Volk, mischt sich in den Alltag der Menschen ein.

Der Leser wird neidisch werden bei der Lektüre, aber er wird nahezu ein Idealbild von funktionierender Gemeindearbeit in der Gegenwart kennenlernen. Völlig egal ob evangelisch oder katholisch, nur so wie Pfarrer Franz Meurer Gemeindearbeit hier beschreibt, kann Kirche auch heute noch Menschen begeistern !!!

Zur Person:

Franz Meurer, geb. 1951, ist einer der bekanntesten Pfarrer in und um Köln. Mit dem „HöVi-Land“, einer sozialen Einrichtung, erlangte er auch nationale Bekanntheit und erhielt zahlreiche Ehrungen. Meurer ist bekannt für sein Engagement, seine hohe Beliebtheit bei den Menschen und mutiges, authentisches Auftreten.

Franz Meurer ist seit Jahrzehnten ein Kölsches Original und Legende. Er gilt als bekanntester Arbeiterpriester Deutschlands und hat mit Generationen von Menschen den Alltag, Sorgen und Hoffnungen geteilt. Er weiß aus Erfahrung, was Menschen von Kirche brauchen und was sie von Kirche noch erwarten können. Ganz nüchtern sagt er: „Die Menschen wollen sehen, dass ihnen Kirche nützt. Das sie wirklich dient.“ Sein Buch erzählt von seinen Erfahrungen und ist ein wohltuender Ton im immer lauter werdenden Krisenchor. Meurer zeigt, was es bedeutet, wenn er sagt: „Die Menschen sind nicht für die Kirche da, sondern die Kirche für die Menschen.“

„Weil uns alles geschenkt ist, wollen wir in unserem Viertel auch großzügig sein. Mit Pommes und Würsten. Mit Liedern im Gottesdienst. Mit dem, was Menschen mögen.“